Der Brief im Wortlaut lt. Kurier:
"Gaza: Auf Worte müssen dringend Taten folgen
Ein Appell österreichischer Diplomat:innen an die Bundesregierung
Die humanitäre Apokalypse in Gaza wird von den Vereinten Nationen, Hilfsorganisationen, und selbst dem sonst verschwiegen arbeitenden Roten Kreuz bestätigt: Mehr als eine halbe Million Menschen sind am Verhungern. Unzählige Überlebende, aber auch israelische Soldaten berichten von systematischen Kriegsverbrechen. Jene Narrative, die trotz umfangreich vorhandenen Dokumentationsmaterials die abscheulichen Verbrechen der Hamas und den Massenmord an der Zivilbevölkerung in Gaza leugnen, sind menschenverachtend und unehrlich.
Die Weltgemeinschaft beobachtet in Gaza in Echtzeit eine Erosion der regelbasierten Nachkriegsordnung: Den Einsatz von Hunger als Kriegswaffe, die völlige Zerstörung der zivilen Infrastruktur, die gezielte Tötung von Zivilistinnen und Zivilisten, von medizinischem Personal, von Journalistinnen und Journalisten. Mitglieder des UNO-Menschenrechtssystems und der internationalen Strafjustiz wurden über die beiden letzten Jahre verleumdet und eingeschüchtert, anerkannte Hilfsorganisationen wurden diskreditiert. Die israelische Führung propagiert mittlerweile offen die gewaltsame Vertreibung der palästinensischen Bevölkerung - wodurch sich Israel zum Paria-Staat machen würde.
Österreich und andere europäische Staaten haben ein unmittelbares und existenzielles Interesse an der Aufrechterhaltung des Völkerrechts. Ob in der Ukraine oder in Gaza: Wer gröbste Verletzungen des humanitären Völkerrechts in einem Fall widerspruchs- und tatenlos hinnimmt, kann dessen Anwendung anderswo nicht glaubwürdig einfordern. Als Sitzstaat der Vereinten Nationen trifft unser Land, das überdies für den UNO-Sicherheitsrat kandidiert, eine besondere Verantwortung. Am 21. Juli forderten daher 30 Außenministerinnen und Außenminister unmissverständlich ein sofortiges Ende der Kampfhandlungen und die Wiederherstellung der Versorgung des Gazastreifens. Die Mitunterzeichnung durch Außenministerin Beate Meinl-Reisinger, ein innenpolitisch nicht unumstrittener und anerkennenswerter Schritt, war ein wichtiges Signal einer kohärenten völkerrechtstreuen Positionierung Österreichs.
Wohlgemeinte Worte bleiben jedoch wirkungslos, wenn ihnen keine entsprechenden Taten folgen. Europa muss endlich Druck aufbauen in Richtung eines nachhaltigen Waffenstillstands und der Freilassung aller Geiseln, gefolgt von der Wiederaufnahme glaubwürdiger und ergebnisorientierter Friedensverhandlungen. Jeder Tag bringt neues Leid und lässt die Perspektive für eine friedliche Zukunft für beide Völker, dreißig Jahre nach den Abkommen von Oslo über eine Zwei-Staaten-Lösung, weiter schwinden.
Auch Österreich muss nun entscheiden, wie ernst wir es mit unseren Worten meinen. Die Suspendierung des EU-Israel Assoziationsabkommens und von Förderprogrammen, sowie die Verhängung von Handelsbeschränkungen, sollte ernsthaft vorangetrieben werden. Wie 209 ehemalige EU Beamtinnen und Beamte in einem offenen Brief aufgezeigt haben, müssen konkrete Schritte, die bei bewaffneten Konflikten weltweit üblich sind, endlich umgesetzt werden. Allen voran ein umfassendes Waffenembargo und Sanktionen gegen jene, die Menschenrechtsverletzungen, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begehen oder diese unterstützen.
Es ist höchste Zeit, dass sich auch Österreich auf die Seite der überwältigenden Mehrheit der Weltgemeinschaft stellt, um das unerträgliche Leiden in Gaza zu beenden und endlich eine Freilassung der verbliebenen Geiseln aus den Händen der Hamas zu bewirken.
Auf Worte müssen jetzt dringend Taten folgen."